Rückfallgefahr vor Weihnachten. An Weihnachten. Und nach Weihnachten.

Vor so viel Romantik kann man schon mal die Flucht ergreifen. Hoffentlich nicht in den Alkohol. Bild von Free-Photos

Wo man auch geht und steht: Vor Weihnachten wird nahezu bei jeder Gelegenheit Alkohol getrunken. Bei der Weihnachtsfeier, auf dem Weihnachtsmarkt und natürlich an Weihnachten selbst. Für trockene Alkoholiker, besonders für diejenigen, die noch nicht so lange abstinent sind, ist das eine harte Zeit.

Doch es sind nicht nur Glühwein und Bratwurstduft, die diese Zeit so gefährlich machen. Auch Emotionen spielen eine große Rolle. Romantik, Kindheitserinnerungen, Melancholie, Rührseligkeit. Glänzende Kinderaugen und Weihnachtslieder. Der Weihnachtsbraten auf dem Tisch, Plätzchen und Kerzenschein. Mit so vielen geballten Emotionen kommen viele trockene Alkoholiker einfach nicht zurecht.

Wenn alle anderen zum Festtagsbraten ein Glas Rotwein trinken, kann man schon mal neidisch werden. Vielleicht ist die Familie bereit, aus Solidarität auf Alkohol zu verzichten? Bild von PublicDomainPictures 

Sei es, dass man melancholisch wird, sich an alte Zeiten erinnert und den damaligen Alkoholkonsum verherrlicht und verklärt. Nein, an die unangenehmen Seiten und an die toxische Wirkung des Alkohols denkt man in diesem Moment nicht. Sei es, dass man sich seinen Lieben besonders nahe fühlt, während die sich gemütlich ein Glas Wein einschenken. Oder dass es – wie leider in vielen Familien – Stress und Streit gibt, weil an Weihnachten alle gleichzeitig da sind und sich mit schöner Regelmäßigkeit in die Haare kriegen.

Vielleicht ist auch genau das Gegenteil der Fall: Man sitzt alleine zu Hause in seiner Bude, wird zunehmend depressiv und kann das ganze Glöckchengebimmel und die Weihnachtslieder von Wham, Chris Rea und Konsorten, die von früh bis spät im Radio durchgenudelt werden, nicht mehr hören. Auch das kann eine gefährliche Situation für eine Alkoholikerin sein, die nüchtern bleiben möchte.

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Aber was tun? Wie soll man mit all diesen Herausforderungen umgehen und sich vor einem Rückfall schützen?

Erst mal sich die Gefahr bewusst machen. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, heißt es doch. Doch das allein reicht in diesem Fall nicht. Vielleicht kann man in seiner Selbsthilfegruppe darüber sprechen. Ich gehe übrigens auch nach neun Jahren der Abstinenz immer noch fast jede Woche in meine Selbsthilfegruppe.

Sich für die Feiertage ein paar schöne Bücher kaufen oder sie sich zu Weihnachten wünschen, damit man etwas zu tun hat, das Spaß macht. Idealerweise ist auch eines über Alkoholabhängigkeit dabei, mit dem man sich wieder in Erinnerung rufen kann, warum man eigentlich nicht mehr trinken will. Stress vermeiden. Sich ausreichend erholen und entspannen. Ein paar schöne Freizeitbeschäftigungen planen. All das hilft, Suchtdruck erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Keine Geschenke, kein Glöckchengebimmel, keine Weihnachtslieder. Raus in die Natur tut immer gut. Bild von invisiblepower 

Mit Freunden auf den Weihnachtsmarkt zu gehen, halte ich für keine gute Idee. Selbst wenn man sich an den Kinderpunsch hält, während die anderen dem Glühwein zusprechen, kann diese Situation das Suchtgedächtnis triggern, und plötzlich hat man selbst einen Glühwein in der Hand. Gar nicht gut. Lieber zu Hause bleiben. Solche Veranstaltungen ganz zu meiden, ist immer noch der beste Schutz vor einem Rückfall.

Das Weihnachtsessen mit der Familie kann man natürlich schlecht meiden. Aber ganz offen mit allen zu sprechen, ist eine echte Hilfe. „Leute, ich will auf keinen Fall Alkohol trinken, bitte unterstützt mich dabei.“ Offenheit ist bei Alkoholabhängigkeit sowieso immer die beste Strategie zum Selbstschutz. Wenn die Angehörigen wissen, dass die Weihnachtszeit für trockene Alkoholiker, die diese Zeit ohne Rückfall überstehen wollen, besonders schwer ist, werden sie in der Regel auch mehr Rücksicht nehmen. Wenn also beim großen Festmahl jeder weiß, dass man auf keinen Fall etwas trinken will, machen sie vielleicht auch keine doofen Sprüche wie: „Mensch, ein Glas, nur zum Anstoßen!“ Denn wir wissen ja: Ein einziges Glas kann uns in den Abgrund reißen.

Eine sehr hilfreiche Methode ist, im Krisenfall einfach die Situation zu verlassen. Dazu hat jeder Mensch das Recht, wenn er sonst Gefahr läuft, zu einem Schluck Alkohol zu greifen. Bloß nicht. Hinterher würde man sich halb tot ärgern. Selbst wenn die ganze Familie mitten beim Essen sitzt – wird der Suchtdruck zu groß, kann und darf man einfach aufstehen und kurz verschwinden. „Sorry, bin gleich wieder da!“ Wie kurz, das kann man ja dann noch entscheiden. Vielleicht braucht es auch einen Spaziergang an der frischen Luft, allerdings nicht beim Kiosk oder im Einkaufsmarkt vorbei! Wer einen Hund hat, kann ja den mitnehmen.

Mit der Familie wird es zwischendurch zu anstrengend? Eine kurze Runde um den Block kann helfen. Bild von bluartpapelaria 

Nach Weihnachten kommt gleich noch Silvester, da werden schon wieder jede Menge Flaschen entkorkt. Wer noch nicht stabil genug ist, einfach mit Wasser anzustoßen, kann sich ja auch hier einfach davonschleichen.

Erst wenn im Januar der Alltag wieder eingekehrt ist, wenn auch viele Freunde und Bekannte beschließen, ab sofort gesünder zu leben und vielleicht sogar eine Trinkpause einzulegen, können trockene Alkoholiker wieder aufatmen.


Die Beiträge auf dieser Website sind keine wissenschaftlichen Abhandlungen. Ich schreibe hier über meine persönlichen Erfahrungen, äußere meine subjektive Meinung oder gebe Informationen wieder, die im Internet frei zugänglich sind. Keiner dieser Artikel kann einen Besuch beim Arzt oder Therapeuten ersetzen. Bitte nimm professionelle Hilfe in Anspruch, falls du ähnliche Erfahrungen gemacht hast oder glaubst, von einer der erwähnten Erkrankungen betroffen zu sein.


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2 Antworten auf „Rückfallgefahr vor Weihnachten. An Weihnachten. Und nach Weihnachten.“

  1. Ich bin selbst trockener Alkoholiker und bin durch die Hölle gegangen in meiner Sucht. Mittlerweile bin ich acht Jahre trocken und leite eine eigene Selbsthilfegruppe. Ich kann empfehlen sich seiner Sucht zu stellen und sich dafür nicht zu schämen und einfach ganz offen damit umzugehen!

    1. Lieber Mirko,
      vielen Dank für Deinen Kommentar. Das kann ich nur bestätigen! Wie ich schon im Artikel geschrieben habe: Offenheit im Umgang mit der Sucht ist der beste Selbstschutz. Allerdings ist Alkoholabhängigkeit immer noch ein so großes Tabu, dass viele sich dafür schämen und Schuldgefühle haben. Das ist absolut nicht nötig! Es ist eine Erkrankung. Seit ich diesen Artikel vor vier Jahren veröffentlicht habe, hat sich in dieser Hinsicht zum Glück vieles verändert. Alles Gute für Dich! Andrea

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