Nein, es ist nicht die Rolle als Stuntman in seinem neuesten Streifen „Es war einmal in Hollywood“. Es war auch nicht „Inglorious Basterds“. Es war noch nicht einmal „Fight Club“, meiner Meinung nach sein härtester Film. Es ist die Realität. Die härteste Rolle für Brad Pitt hat das Leben vorgesehen. Denn Brad Pitt ist Alhoholiker.
Man konnte es schon vermuten, nachdem er an Bord eines Privatflugzeugs seinen Adoptivsohn Maddox angeschnauzt haben soll, als er betrunken war. Danach hatte Angelina Jolie die Scheidung eingereicht, und damit war es mit dem Traumpaar Brangelina vorbei. Dann hörte man lange nichts Privates mehr von Brad Pitt, der 1994 und 2000 zum „Sexiest Man Alive“ gewählt worden und weltweit der große Schwarm vieler Frauen und das Idol vieler Männer war und ist.
Bei vielen Alkoholikern und Alkoholikerinnen muss zuerst die Familie kaputt gehen, bevor sie sich ihrer Sucht stellen. Genau das ist auch bei Brad Pitt passiert. Durch die Trennung von Angelina Jolie und seinen Kindern dämmerte es ihm wohl, dass es so nicht weitergehen konnte. Nun hat er einen weiteren großen Schritt getan. Am 04. September 2019 gab er der New York Times ein Interview mit der Überschrift „The Planet, the Stars and Brad Pitt“, in dem er über seine Alkoholabhängigkeit sprach und diese erstmals öffentlich zugab. Zwar wurde nur am Rande dieses sehr ausführlichen Interviews darüber gesprochen, doch was Brad Pitt sagte, ist in der Tat beachtlich. Und auch er brauchte eine ganze Zeit lang, nachdem er seine Abhängigkeit realisiert und akzeptiert hatte, um darüber zu sprechen. Bei ihm waren es anderthalb Jahre, ich brauchte dafür sogar mehr als zwei. Ausnahmen gibt es natürlich immer, aber dieses Phänomen ist ganz normal und gehört ebenso zu dieser Erkrankung wie die Krankheitseinsicht und der Wille, etwas zu ändern und sich helfen zu lassen.
Brad erzählte, dass er anderthalb Jahre bei den Anonymen Alkoholikern war und sich dort sicher fühlte, weil er von den Männern in seiner Gruppe weder be- noch verurteilt wurde. Alle hatten dasselbe Problem, und Brad erlebte eine Ehrlichkeit, die er zuvor nicht gekannt hatte. Auch wenn er in dieser Gruppe natürlich nicht anonym war wie die anderen Teilnehmer, konnte er dort offen über seine Situation sprechen und mithilfe dieser Unterstützung nüchtern werden. Keiner der Anwesenden verkaufte seine Geschichte an die Medien, was einen sehr großen Vertrauensbeweis darstellt. Ob Brad Pitt vorher einen Entzug machte, oder ob die Teilnahme an den Gruppensitzungen für ihn genügte, um seine Nüchternheit zu stabilisieren, geht aus dem Interview nicht hervor. Jedenfalls hat er sich selbst ein Trinkverbot erteilt. Einer der entscheidenden Sätze war für mich: „Tatsache ist, dass wir alle Schmerz, Kummer und Verlust in uns tragen. Den größten Teil unserer Zeit verbringen wir damit, das zu verbergen, aber es ist da, es ist in dir. Und dann öffnest du diese Kiste.“ Leider bleibt es einer Alkoholikerin, die trocken werden will, nicht erspart, all diese Dinge wie Schmerz, Kummer, Trauer, Verlust, Ohnmacht und Verzweiflung anzusehen und zuzulassen. Erst dann kann die Gesundung beginnen. Ich schreibe bewusst nicht Heilung, denn Alkoholabhängigkeit ist wie jede Sucht eine Krankheit, die nur gestoppt, aber nicht geheilt werden kann.
Auch der folgende Satz beinhaltet eine wichtige Erkenntnis: „Es war wirklich sehr befreiend, die eigenen hässlichen Seiten bloßzulegen. Das hat einen großen Wert.“ Denn ist es nicht das, wofür man sich als Alkoholiker oder Alkoholikerin am meisten schämt, auch wenn man kein Hollywoodstar ist? Dass der Alkohol einen so verändert, dass man nicht mehr derselbe Mensch ist? Dass man unter dem Einfluss von zu viel Alkohol nicht mehr das Bild aufrecht erhalten kann, das man sonst gegenüber der Familie, gegenüber Freunden und Kollegen abgibt? Dass die Rolle, die man in den verschiedenen sozialen Verbindungen übernimmt, tiefe Risse bekommt? Das man einfach nicht mehr der tolle Mensch ist, der man gerne sein würde?
Freimütig gab Brad Pitt zu: „Ich habe es so weit getrieben, wie ich konnte, aber jetzt habe ich mit dem Trinken aufgehört.“ Vorbei die Zeiten, in denen er keinen Tag ohne Alkohol oder einen Joint (oder auch ein paar davon) überstand. Nebenbei bemerkt: Ich frage mich, wie er sich dermaßen zugedröhnt die Texte für seine Filmrollen merken konnte.
Natürlich berichteten schon am nächsten Tag fast alle Medien von der Gala bis zum SPIEGEL über dieses sensationelle Geständnis eines berühmten Schauspielers. Denn noch immer ist es ein Tabu, über diese Suchterkrankung zu sprechen, bei Frauen sogar noch mehr als bei Männern. Umso bemerkenswerter ist es deshalb, wenn sich mal wieder jemand traut, seine Alkoholabhängigkeit zuzugeben.
Und wo bleibt heute der Spaß, fragt ihr euch? Ich gebe zu, dieser Beitrag ist etwas ernst geraten. Aber die fröhliche Nachricht ist: Brad Pitt ist jetzt nüchtern. Herzlichen Glückwunsch!
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